Presse
31. März / 1. April 2007, taz nord
Kinder-Casting im Akkord
Um schwarzen Schafen ihrer Branche den Boden zu entziehen, gründeten Kinder-Darstelleragenturen einen Verband. Agenturchefin Christiane Dreikauss erklärt, worauf Eltern achten sollten.
Interview: Kaija Kutter
taz: Frau Dreikauss, Sie haben
gerade zusammen mit 10 anderen
Agenturen den „Verein
deutscher Nachwuchsdarstelleragenturen“,
kurz VDNA, gegründet.
Warum?
Christiane Dreikauss: Wir wollen
gemeinsam stärker die Rechte
von Kindern und Jugendlichen
in Filmproduktionen wahren.
Wir werden unterstützt von der
Medienpädagogin Brigitte Theis
in Köln, die mit dem Kinderschutzbund
zusammen arbeitet.
Und es ist unser Wunsch, den
schwarzen Schafen der Branche
den Boden zu entziehen.
Wer sind denn die schwarzen
Schafe?
In Hamburg beteiligen sich
zwei Agenturen am VDNA und
es gibt eine Agentur, die nicht seriös
arbeitet. Namen dürfen wir
nicht nennen. Aber wir werden
Standards entwickeln, die wir ab
Mai auf unserer Homepage unter
www.vdna.info veröffentlichen.
Dort werden wir all jene
Agenturen auflisten, die seriös
arbeiten. Und diese dürfen sich
dann VDNA-Mitglied nennen.
Was tun die schwarzen Schafe?
Da gibt es eine lange Palette. Die
reisen durch Deutschland, bezeichnen
sich als Casting Agenturen
– ein Begriff, den es gar
nicht gibt. Die gastieren inHotels
oder Indoorspielplätzen und
nehmen von den Eltern für jedes
Foto, das gemacht wird, zehn bis
50 Euro. Damit werden diese Damen
und Herren dann reich. Es
gibt eine Agentur, die auch bald
nachHamburg kommt, die hat in
Hessen auf diese Weise in einem
Hotel 800 Kinder in zwei Tagen
aufgenommen und fast 40.000
Euro verdient.
Wieso läuft das so gut?
Das Thema Casting ist schwer in
Mode. Und viele Eltern sind einfach
stolz auf ihre Kinder. Aber
bei so einer großen Zahl ist es unrealistisch,
dass die vermittelt
werden, die werden als Karteileichen archiviert – oder gelöscht.
Wie viele Kinder pro Agentur
wären denn normal?
Das variiert. Eine Agentur, die schon 20 Jahre dabei ist, hat vielleicht
bis zu 400 Kinder. Es ist
auch nicht seriös, von Eltern Gebühren
dafür zu nehmen, dass
ihr Kind in der Agentur ist, oder
Geld für einen verpassten Casting-Termin zu berechnen. All
dies wird mir von Eltern berichtet.
Und eine seriöse Agentur
nimmt auch kein Geld für die Erstellung
von so genannten Setkarten von Kindern, schon gar
nicht von Babies.
Was zeichnet seriöse Agenturen
Ihres Erachtens aus?
Man sollte den Eltern freistellen,
eigene Fotos zu liefern und allenfalls
ohne Druck anbieten, dass
ein Fotograf in den Räumlichkeiten
der Agentur Fotos macht. Es
sollte ein sehr ruhiges und langes Agenturgespräch geführt
werden und nicht ein Fünf-Minuten-Gespräch im Hotel. Man
muss dabei erkennen, ob Eltern
und Kinder dem Drehstress gewachsen
sind. Eltern sollten Einsicht
in Verträge haben und ganz
genau erklärt bekommen, wie
viel Provision eine Agentur
nimmt. Üblich sind zehn bis 20
Prozent. Und Eltern sollten auch
immer eine Kopie des Antrags
beim Amt für Arbeitsschutz erhalten,
wo drin steht, wie lang
ein Kind am Set sein darf. Das ist
je nach Alter des Kindes sehr
streng geregelt. Man sollte auch
nie ein Kind unter Exklusivvertrag
nehmen. Das macht man
einfach nicht. Und es sollten keine
Fotos von Kindern auf einer
Homepage im Internet veröffentlicht
werden. Da besteht leider
die Gefahr, dass damit Missbrauch
getrieben wird.
Warum legt solchen Agenturen
niemand das Handwerk?
Die staatliche Aufsicht hat leider
nachgelassen. Als wir 2001 unsere
Agentur eröffneten, wurden
wir von der Bundesanstalt für
Arbeit überprüft. Leider wurde
diese Prüfkommission 2003 abgeschafft.
Was ist mit pädagogischen
Kriterien? Sollten Eltern ihren
Kindern so einen Casting- und
Drehstress nicht lieber ersparen?
Wenn Kinder gar nicht wissen,
was das alles bedeutet und was
mit ihnen geschieht, ist es
schlecht. Wir achten schon darauf,
dass die Eltern bodenständig
sind und nicht wie die so genannten
Schlittschuhmütter
Druck auf die eigenen Kinder
ausüben, weil sie etwas hineinprojizieren
nach demMotto:Was
ich nicht erreicht habe, soll mein
Kind erreichen. In dem Wort
Dreharbeiten steckt auch das
Wort arbeiten. Das muss den Familien
bewusst sein. Es ist wichtig,
dass die Kinder nach einem
längeren Dreh möglichst zwölf
Monate Pause haben. Deshalb
kann man, wenn man verantwortungsvoll
arbeitet, mit einer
Nachwuchsagentur kaum Geld
verdienen.
Wie sieht es denn im Bereich
der Schauspielschulen aus? Kennen Sie da auch schwarze
Schafe?
Eltern sollten sich bei einer Theaterschule
die Räumlichkeiten angucken
und einen Ausbildungsnachweis
der Schauspiellehrer
zeigen lassen. Es sollten nicht
mehr als zehn bis zwölf Kinder in
einer Gruppe sein und es sollte
nicht mit unrealistischen Hoffnungen
geworben werden. Es ist
auch Blödsinn, mit Kindern psychologisch
zu arbeiten. Es geht
um die Vermittlung des reinen
Handwerks. Die Kinder sollten
ihre Natürlichkeit behalten dürfen.
Wo sind für Ihre eigene Agentur
die Grenzen des Zumutbaren?
ZumBeispiel bei Eltern, die drängeln,
wann der nächste Dreh ist.
Ich hatte mal eine Mutter hier,
die fragte drei Monate nach Drehende,
wann denn der nächste
Film komme. Sie bräuchte das
Geld für die Miete. Ich habe mich
von der Familie getrennt, denn
das geht nicht. In so einer Konstellation,
wo die Miete davon abhängt,
ist der Druck auf das Kind
zu groß. Die Branche ist mitunter
sehr hart. Es gibt auch Filmproduktionen,
die sich nicht an die
vorgeschriebenen Arbeitszeiten
für Kinder halten. Das ist eine Erfahrung,
die leider alle Agenturen
in Deutschland machen und
wo wir als Verein Handlungsbedarf
sehen.