"Das geschriebene Wort ist nur der Anfang einer phantastischen Reise in das Land der Vorstellungskraft und Gefühle. New Talent kennt diesen Weg und geleitet den angehenden, jungen Schauspieler sicher an sein Ziel"



"Ron Burrus, Actors Conservatory
Los Angeles, U.S.A."

 

Presse

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24. Oktober 2005, Stuttgarter Zeitung

In aller Behutsamkeit

Wie Kinder bei Dreharbeiten betreut werden müssen

 

Patrick Dreikauss

(Foto: B. Kusber)

Kindesentführungen sind so ziemlich das Grausamste, das Opfern und Angehörigen widerfahren kann. Da kommen Bilder aus der tragischen Entführungsgeschichte des kleinen Jakob von Metzler aus Frankfurt hoch. Auch für junge Schauspieler könnten solche Schlüsselszenen im Film Albträume nach sich ziehen, wäre da nicht ein Regie-Dialog-Coach wie Patrick Dreikauss am Werk. Er vermittelt jungen Akteuren, wie sie sich vor der Kamera bewegen und ihre Rolle spielen sollen, bevor ein Filmteam loslegt. So waren die gerade abgeschlossenen Dreharbeiten in Hamburg über ein spektakuläres Kidnapping sein ureigenstes Arbeitsfeld. "Die Entscheidung", im Auftrag des NDR produziert, soll im kommenden Jahr in der ARD ausgestrahlt werden. Regie für diesen Film führte Thomas Bohn - ein Meister der Spannung, der schon ein gutes Dutzend "Tatorte" gedreht hat.

 

In diesem Thriller spielt ein kleines Mädchen das Entführungsopfer. Die achtjährige Grundschülerin Florentine Burkhardt wird man im Film zittern und bangen sehen, als stünde sie der Gefahr wirklich Auge in Auge gegenüber. Tatsächlich sind die Szenen arrangiert: Das Mädchen war nicht ein einziges Mal mit den Motiven ihrer Entführer im Film konfrontiert. Das Kunststück gelang Dreikauss, der die komplizierten Regieanweisungen kindgerecht übersetzt hat.

 

Der 36-jährige Wahlhamburger kennt die Wünsche der Regie aus langer Erfahrung. Er verfügt nicht nur über eine zweijährige "On-Set-Dialog-Coach-Ausbildung", die er in Los Angeles machte, sondern auch über eine vierjährige Schauspielausbildung. Und ein gewisses Maß an Professionalität und Verantwortung den Kindern gegenüber gehört auch dazu. Dreikauss schüttelt nur fassungslos den Kopf, wenn er in Kinoproduktionen oder TV-Krimis sieht, dass Kinder etwa eine grausam geschminkte Filmleiche auffinden müssen, etwa eine Frau, die sich die Pulsadern aufgeschlitzt hat. "Das sind doch Bilder, die nicht nur Grundschülern nie mehr aus dem Kopf gehen", sagt er.

 

Da gibt es andere Lösungen, mit Schnitt und Nahaufnahme zu arbeiten, ohne dass das Kind wirklich mit solchen schrecklichen Szenen in Berührung kommt. In dem Film "Die Entscheidung" sieht man zwar auch die kleine Akteurin zittern. Aber Dreikauss kennt den Regieablauf und greift zu kleinen Tricks, die manchmal sogar noch effektvoller sind als das Kind echte Angst empfinden zu lassen, erklärt er. In einer Szene bebt das Mädchen, nichts Gutes erwartend. Dreikauss' Anweisung: sie sollte so tun, als ob sie friere. Oder an anderer Stelle visualisierte die Achtjährige eine nicht vorhandene Spinne und verhielt sich wie jemand, der ganz stark Angst vor Spinnen hat. "Alles im Rahmen der kindlichen Vorstellungswelt", findet er.

 

Dreikauss, selbst Vater einer kleinen Tochter, würde sich etwas anderes nie verzeihen. Und sollte er tatsächlich einmal auf einen Regisseur treffen, der partout ein Kind in einem Horrorszenario spielen lassen will, dann würde er das zurückweisen. "So ein Kind bekommt ja davon Albträume, und es wäre doch unfair, es etwa mit den Abgründen eines Entführers oder auch mit den Wünschen eines Sexualstraftäters zu konfrontieren und es auch noch bewusst das Opfer spielen zu lassen", empört sich Dreikauss. Das Kind sollte vor der Kamera Angst zwar spielen können, aber so, "dass es nach dem Dreh die Angst nicht mit nach Hause nimmt, sondern möglichst lachend vom Set geht", unterstreicht Patrick Dreikauss.

 

Das funktioniert mit Übertragungen, etwa auf eine nicht vorhandene Spinne. Die Furcht wird so völlig abstrahiert von dem Thema und erscheint daher nicht lebensbedrohlich. Und das ist der Vorteil bei Dreharbeiten: Man kann zeitlich versetzt drehen. Dreikauss arbeitet mit Kindern auch so, dass der Gegenpart manchmal gar nicht da ist, dass er dann in die Rolle des Fiesen schlüpft. "Das funktioniert, weil die Kamera so nah ist, dass der Schauspieler eh nicht zu sehen ist", erläutert er. Und dann wartet er in dem Verlies, in welches das Kind hineingeschubst wird, mit einer Pappnase oder einem Teddy winkend und macht Faxen, sodass die kleine Schauspielerin hinterher selbst lachen muss. Damit soll die bedrohliche Szene möglichst neutralisiert werden.

 

In Nordrhein-Westfalen als erstem Bundesland gibt es bereits eine Kontrolleinrichtung durch Medienpädagogen, die Kinder am Set vor Überlastung schützen sollen, sagt Birgit Theis, die für dieses Pilotprojekt ausgebildet wurde. Eine gesetzliche Richtlinie gibt es zwar noch nicht. Wer in Deutschland dreht, benötigt aber eine Drehgenehmigung. Die Erfahrung zeigt, dass zunehmend Produktionen mit Kindern als Akteuren gedreht werden. In Nordrhein-Westfalen lässt das staatliche Amt für Arbeitsschutz eine medienpädagogische Fachkraft das Drehbuch prüfen, ob Kinder mit möglicherweise belastendem Inhalt überfordert werden könnten.

 

Wenn beispielsweise der kleine Schauspieler eine Rolle in einer Familie mit einer Scheidungsproblematik spielt und privat selbst unter ähnlichen Verhältnissen leidet, dann kann sich das sehr negativ auf die Entwicklung auswirken. Auch was die schulischen Leistungen angeht, sorgt der Medienpädagoge notfalls dafür, dass auch nach Drehabschluss die Produktionsfirma eine Nachhilfe weiterzahlt. Für die künstlerische Seite sind die Pädagogen jedoch nicht zuständig.

 

Ein Kind wisse oft gar nicht, was alles auf es zukommt bei der Arbeit vor der Kamera. Auch die Eltern haben davon oft keine Vorstellung, meint Dreikauss. Beim Casting haben die Caster oder die Regie allenfalls gesehen, dass das Kind eine Rolle spielen kann. Wie belastbar ein Kind ist, muss ein Regiecoach oder Medienpädagoge im Vorfeld klären. "Die meisten vergessen, dass das Drehen echte Arbeit ist", sagt Dreikauss. Und da die Drehzeit, also das, was an einem Tag geschafft werden muss, immer mehr wird, bleibt selbst Regieleuten, die sagen, sie können gut mit Kindern umgehen, oft keine Zeit mehr, sich neben dem ganzen Ablauf um die Betreuung zu kümmern. Ein Kind sollte schließlich Spaß an den Drehs haben. Und ihm sollten die einzelnen Schritte vor der Kamera erklärt werden. Was eine Nahaufnahme ist. Warum man nicht in die Kamera blinzeln darf. Oder warum man wirklich immer das Gleiche tun muss, auch wenn das Ganze zehnmal gedreht wird.

 

Tatsächlich steckt hinter der Beliebtheit von Patrick Dreikauss noch ein anderer Grund: Er hilft Geld zu sparen, teure Drehzeit. Und so kommt er eben gerne bei schwierigen Rollen zum Einsatz. Manche Situationen dürfen beim Dreh einfach nicht entstehen. Etwa, dass sich ein Kind am Set vernachlässigt fühlt und sich verweigert. Dann steht die Produktion wirklich auf dem Schlauch. Daher ist es so wichtig, dass ein Regie-Dialog-Coach oder ein Kinderfilmcoach die Zeit für ein Kind hat, mit ihm zu reden und zu proben. Und was alle am Set immer wieder in Begeisterung versetzt: Wenn Kinder erst einmal anfangen zu spielen, dann spielen sie wirklich. Sie versetzen sich richtig in eine andere Rolle hinein und kennen keine Hemmung. Das ist etwas, was die Erwachsenen sich erst mühsam antrainieren müssen.

 

Von Mechthild Klein

 

Die Kontrolle ist schwierig

 

Arbeit mit allen Tricks
Der Kindercoach Patrick Dreikauss ist auch als Psychologe gefragt.
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